Margret Kagelmann

Erfahrungsbericht

Ich war mit meinem Mann im Einkaufszentrum und konnte plötzlich nicht mehr sprechen.

Ein paar Stunden später sagte der Arzt zu mir, dass mein Mund schief wäre. Sofort kam ich ins Krankenhaus St. Georg. Es war ein großes Meningeom in meinem Kopf, das einen Tag später operiert wurde. Nach der Operation konnte ich nicht mehr sprechen, lesen und auch nicht schreiben. Ich musste wieder Laufen lernen und wie ich mit Besteck esse. Das alles habe ich im Krankenhaus, auf einer speziellen Abteilung, wieder neu gelernt. Dort hat eine Lernschwester mit mir Ihre Prüfung durchgeführt. Sie hat mit mir einen Obstsalat geschnitten.

Das passierte alles im August 2009. Zu der Zeit ist mein Enkelsohn geboren worden. Ich bin damals sehr traurig gewesen, weil ich es nicht miterleben konnte und so viel verpasst habe. Jetzt ist er schon so groß und es ist in Ordnung. Wenn ich damals was sagen wollte, hat meine 5 jährige Enkelin immer zu mir gesagt: “Omi, raus, raus”, aber meine Worte kamen nicht raus.

Erst kurz vor Weihnachten konnte ich das Krankenhaus verlassen und endlich nach Hause. Ich bekam Logopäden Unterricht und meine Logopädin hat mir von einer Aphasie Gruppe erzählt. Ich bin heute noch sehr dankbar, dass ich diese Gruppe gefunden habe. Als ich das erste Mal dorthin kam, musste ich meinen Namen sagen und das konnte ich nicht. Mein Mann kam immer mit, er war immer an meiner Seite und war mir eine große Stütze. Die Gruppe fand damals einmal im Monat im Haus von Pflege und Wohnen, Uhlenhorst, statt.

Einmal kam eine Leiterin einer Berufsfachschule für Logopädie zu Besuch. Sie hat gefragt, wer Lust hat, mit den Schülerinnen zu lernen. Da habe ich mich gemeldet. Zweimal in der Woche hatte ich bei meiner Logopädin und zusätzlich einmal die Woche in der Schule Logopädie. Das war eine sehr intensive Lernzeit. Die Schüler haben Ehrgeiz und möchten die Patienten intensiv fördern. Mit Herrn Professor Winnecke habe ich in einer Klasse meine Geschichte vorgetragen. Dies war für mich eine Bestätigung für meine anstrengende Arbeit. Die Schüler hörten mir zu und ich war stolz. Die Schule ist leider nach Harburg umgezogen, aber meine Logopädin erzählte von einem ISA-Projekt in Alsterdorf. Gleich danach habe ich mich beworben. Seit 2017 bin ich regelmäßig einmal im Jahr an dieser Schule. Dort ist es noch intensiver, denn dort ist der Unterricht vier Wochen lang, an vier Tagen. Das mache ich jetzt jedes Jahr, mit einer Klasse und den Patienten. Die Gemeinschaft der Gruppe ist jedes Jahr für mich eine Bereicherung und ich lerne immer dazu.

Dass ich eine Selbsthilfegruppe leiten kann, wollte ich damals nicht glauben. Da der Leiter der Gruppe Nord aufhören wollte und die Leiter Gruppe Mitte hat sich bereit erklärt die Gruppe zu übernehmen. Nach langem Drängeln vom Vorstand, habe ich die Leitung der Aphasie Selbsthilfegruppe Hamburg-Mitte angenommen. Die Gruppe fand im Amarita Seniorenheim neben dem Marienkrankenhaus statt. Durch Corona ist die Gruppe eingestellt und auch das Altenheim gibt es nicht mehr.

Zu den Mitgliederversammlungen der Aphasiker-Selbsthilfe bin ich immer gegangen und die haben dann auch von Würzburg erzählt. Von den Aphasie-Tagen in Würzburg und auch jedes Jahr im Kloster-Oberzell in Würzburg. Man traf viele Aphasiker aus ganz Deutschland. Wir haben uns in Würzburg beim Bundesverband für die Rehabilitation der Aphasiker e.V. telefonisch bei der Geschäftsführerin Dagmar Amslinger angemeldet. Es ist immer schön, wenn wir am Abend alle zusammen sitzen und miteinander reden. Vom Bundesverband werden auch Freizeiten organisiert. Es wird z. B. gemalt, gebastelt, gesungen, Theater gespielt und Ausflüge geplant. Auch wenn man nicht viel reden kann, ist es immer lustig. Mein Mann und ich sind Mitglied des Vereins.

Ich möchte eine neue Gruppe gründen, in der wir uns regelmäßig treffen können. Nur in einer Gemeinschaft kann man sich austauschen und Neues lernen.

Margret Kagelmann

Aphasiker-Selbsthilfe in Hamburg e.V.